Optimierungspotential eines Webshops erkennen – Wie geht das?

Praxistipps für die Optimierung – Ist der neuer B2B Onlineshop (Welches B2B eCommerce Geschäftsmodell passt zu mir?) erst einmal Live und bleibt vielleicht doch hinter den Erwartungen zurück, oder der bestehende Onlineshop ist in die Jahre gekommen, aber noch nicht so alt, dass es sofort ein Relaunch sein muss; sich nun die Frage zu stellen: „Wo und welches Optimierungspotential bietet das System noch?“ lohnt eigentlich immer.

Doch wie geht man am besten vor, um die Frage nach den Optimierungspotentialen zu beantworten? Wir sind der Meinung, dass man Optimierungspotentiale möglichst messen bzw. nach Regeln ermitteln sollte. Gruppendiskussionen über Meinungen und Vermutungen sind eher ungeeignet.
Wir wollen im Folgenden Ansätze für die systematische Ermittlung von Optimierungspotentialen vorstellen. Dabei werden wir uns auf das Thema Benutzerführung (UX-Design – Was ist der Nutzen?) konzentrieren, da hier häufig das größte Potenzial liegt.

Unter dem Thema Benutzerführung (UX-Design) wird, wie das eCommerce System vom Kunden benutzt werden kann bzw. soll, verstanden. Das Ziel sollte es immer sein, dass der Kunde möglichst einfach und effektiv alle Dinge im Shop tun kann, die er dort tun soll bzw. will.

 

1. Optimierungspotential eines Webshops – Eine Bewertungsmethodik

Die erste Frage, die sich immer stellt ist, auf welcher Basis die Optimierungspotentiale überhaupt ermittelt werden sollen. Hierfür stehen unterschiedliche Methodiken zur Verfügung. Eine der besten Methoden sind Testverfahren mit echten Nutzern, z.B. in der Form von Interviews oder Usability Tests. Dies ist i.d.R. deshalb auch die aufwendigste Methodik, denn entsprechende Benutzer müssen gefunden werden und es erfordert eine gute Systematik zur Feedbackermittlung. Sollte auf echte Nutzer kein Zugriff bestehen bzw. der Aufwand gescheut werden, bietet sich alternativ ein Experten Review an. Hierbei begeben sich Experten in die Rolle der Nutzer und prüfen typische Prozesse im eCommerce System auf Verbesserungspotential.

Hilfreich ist es, wenn Personas für die typischen Zielgruppen existieren, anhand deren die Rollendefinition für die „Experten“ leichter fällt. Personas sind Profile von virtuellen Kunden, die repräsentativ für eine Kundengruppe genutzt werden, um die Bedürfnisse und Wünsche dieser Kundengruppe zu ermitteln.

Wir gehen im Weiteren davon aus, dass der Ansatz über Expertenreviews weiterverfolgt wird.

 

 

2. Vorgehensweise Expertenreview

Prozessideen und Skizzen - Geeignete Methoden zur Meinungsbildung

Prozessideen und Skizzen – Geeignete Methoden zur Meinungsbildung

Voraussetzung für die Ermittlung des Optimierungspotentials ist es, dass vorbereitend für die Experten eine Liste an Prozessen und Userstories existiert, für die das Optimierungspotential ermittelt werden soll. Die Erstellung einer solchen Liste kann aber auch bereits der erste Schritt für die Potenzialermittlung sein. Unter Prozessen verstehen wir hierbei einen vorgegeben, nicht zur Diskussion stehenden Ablauf, der im eCommerce System möglichst optimal umgesetzt werden soll, wie z.B. ein Checkout Vorgang. Hier ist i.d.R. klar, wie der Prozess abzulaufen hat, welche Informationen vom Kunden beigebracht werden müssen und welche Auswahlen er vornehmen muss bzw. kann.

Mehrstufiger Checkout am Beispiel von OroCommerce

Mehrstufiger Checkout am Beispiel von OroCommerce

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Darstellung des Prozesses nicht mit dem Prozess identisch ist. Z.B. ist die Darstellung des Checkouts als „Single page Checkout“ die Anzeige bzw. Vorbelegung aller bestellrelevanten Informationen auf einer Seite. Der Prozessablauf Checkout bleibt aber auch bei einem „Single page Checkout“ identisch zu einem mehrstufigen Ablauf.

Im Gegensatz dazu beschreiben Userstories eher weiche Faktoren und repräsentieren die Erwartungen von Nutzern. Sie sind i.d.R. durch einfache, strukturierte Sätze repräsentiert, wie z.B. „Als Nutzer erwarte ich, dass ich nach dem Login auf meine Rechnungen und Lieferscheine Zugriff habe“.

Sofern Userstories neue Funktionen beschreiben, sollte man überlegen direkt mit einer Prozessdefinition für die Userstories zu starten. In der Prozessdefinition für das oben genannte Beispiel „Dokumentenzugriff“ würde man dann u.a. festlegen, ob und wann eine Fallunterscheidung des Dokumententyps erfolgen soll und welche Filter- und Sortierkriterien zur Verfügung gestellt werden müssen.

Sofern Userstories bestehende Funktionen beschreiben, muss die Erwartungshaltung der Nutzer gegen die vorhandenen Prozesse geprüft werden. Hier kann es dann zu Prozess- oder Ablaufveränderungen kommen. Ein typisches Beispiel einer solchen Prozessveränderung ist, um bei unserem obigen Beispiel zu bleiben, der oben bereits erwähnte Single page Checkout, bei dem alle Prozessschritte gleichzeitig zur Verfügung stehen.

Singlepage Checkout am Beispiel von OroCommerce

Singlepage Checkout am Beispiel von OroCommerce

Für die Prozessdarstellung eignet sich ein BPMN Diagramm sehr gut. Wer auf der Suche nach einem geeigneten und günstigen Tool für die Prozessmodellierung nach BPMN ist, dem sei der kostenfreie Camunda Modeler empfohlen. Ansonsten sollte jeder Prozess so vollständig wie möglich dokumentiert werden. Im Folgenden eine Prozessdarstellung eines typischen B2B Vororder Prozess in einer BPMN Darstellung.

Beispiel Prozess: Vorbestellung Im B2B eCommerce

Prozessmodelling in OroCommerce

Wir arbeiten z.B. intensiv mit der B2B eCommerce Plattform OroCommerce. Da dieses System bereits eine Workflowkomponente beinhaltet, ist hier für die Modellierung kein zusätzliches Werkzeug erforderlich.

 
Prozessmodelling in OroCommerce

Beispiel Prozess: Vorbestellung Im B2B eCommerce

Mit Userstories und den passenden Prozessbeschreibungen „bewaffnet“ können nun die Experten das eigentliche Review durchführen. Doch wie kann die Vergleichbarkeit der Bewertungsergebnisse sichergestellt werden? Das zeigen wir im Folgenden.

 

3. Bewertungsschema

Nachdem entschieden ist, welche Prozesse, bzw. eigentlich sind es ja die Prozessabläufe und deren Umsetzung, nach Optimierungskriterien bewertet werden sollen, muss man sich Gedanken machen, wie man erkannte Optimierungspotential standardisiert und katalogisiert. Dies ist deshalb zu empfehlen, da im Anschluss an die Bewertungsphase i.d.R. Entscheidungen anstehen, um die Verbesserungen auch umzusetzen. Hierfür benötigt man Prioritäten. Eine gute Katalogisierung hilf dabei diese zu finden.

Die im Folgenden dargestellte Matrix hat sich dabei bei uns bewährt:

Kriterium Ausprägung
Typ Bedienbarkeit
  Nutzen
  „Spassfaktor“
Art Aussehen
  Inhalt
  Bedieneroberfläche
  Zugriffsmöglichkeit / Technologie
  ggfs. Weitere
Prozess Name des Prozesses

 

Bei der Einordnung eines Optimierungspotentials sind Mehrfachnennungen erlaubt. Hier ein Beispiel für eine solche Katalogisierung:

 

Userstory:
„Ich möchte im System sehen können wer gerade mein persönlicher Ansprechpartner ist und wie ich ihn erreichen kann.“

Analyseergebnis:
„Nach dem Login wird auf der Mein Kontoseite der persönliche Ansprechpartner mit Kontaktdaten nicht gezeigt.“

 

Die passende Katalogisierung dazu wäre:
TYP: Nutzen, ART: Inhalt, PROZESS: Kontaktbeauskunftung
Was jetzt noch fehlt, sind Bewertungskriterien für das Optimierungspotential. Hier haben sich folgenden Kriterien bei uns bewährt:

Kriterium Ausprägung
Bewertung Gravierend
  Kritisch
  Nachrangig
Aufwand Gering
  Mittel
  Hoch

 

Alle oben aufgeführten Elemente sind natürlich sehr subjektive Kriterien. Wir empfehlen deshalb für jede Analyse festzulegen, wie Bewertung und Aufwand definiert sind. Zum Beispiel kann man die Bewertung mit Zeitersparnis für den Kunden in Minuten übersetzen und dort Kennziffern festlegen. Sollte z.B. kein Schnellbesteller existieren, kann man anhand der durchschnittlichen Anzahl von Artikeln im Warenkorb leicht den Zeitbedarf für die Artikelselektion und -suche ermitteln, die der Kunde stattdessen benötigt.

Sobald das Expertenreview abgeschlossen ist, fällt die Zusammenfassung und die Erstellung von Handlungsempfehlung leicht. Über alle Experten hinweg wird schnell deutlich wo sich Einschätzungen unterscheiden bzw. wo aus Nutzensicht das größte Optimierungspotential liegt.

 

4. Fazit

Das Erkennen von Optimierungspotentialen ist sicher auch ohne Systematik kein Hexenwerk, man tut sich aber erheblich leichter, wenn hierfür Systematiken, wie oben dargestellt, eingesetzt werden. Vor allem wenn regelmäßig auf Optimierungspotential hin analysiert werden soll.

 

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